Die Sache mit dem Hoch und Tief.

 

Heute Morgen rief mich die Frau eines Patienten an. Er leidet an Krebs. In den letzten Monaten habe ich versucht seine Kraft und seine Stabilität zu verbessern. Den ganzen Winter hindurch war er nicht ein einziges Mal aus der Wohnung gekommen. Er war buchstäblich in der Wohnung ein Gefangener. Und dabei wollte er am 20. März in einem Restaurant mit seiner Frau deren Hochzeitstag feiern.  Leider ist die Wohnung ist eine Halbparterrewohnung, der Horror für jeden oder jede, der/die selbständig bleiben will und nur mit einem Rollator laufen kann. Falls mein Patient die Wohnung hätte verlassen wollen, müsste er zuerst 5 Stufen hoch (oder 10 Stufen runter) zum nächstmöglichen Liftzugang. Immerhin gab es einen Lift. Ausserdem müsste jemand den Rollator hoch respektive runter schleppen. Seine Frau ist 75. Die hätte das eventuell können, aber die hätte nie ihren Mann unterstützen und sichern können beim Versuch, die Treppen zu bezwingen.
Unser Therapieziel hat sich dann aus der Situation ergeben: die Wohnung verlassen und per Auto des Therapeuten (beide hatten keinen Führerschein mehr) in das Restaurant fahren, wo reserviert worden war.
Daher habe ich mich entschieden, erst einmal zu versuchen, die Beinkraft zu verbessern. Alles in Zusammensprachen mit dem Patienten, den wir mal Robert* nennen. Nach 2 Monaten haben wir dann einen entscheidenden Schritt gemacht. Wir haben die Treppe bezwungen. Anfangs war es mehr ein Training für mich, da ich ihn zu 50% gehoben habe unter der Achsel. Nach 2 Wochen hat er dann die Treppe allein bezwungen……  mit mir als Bodyguard hinter ihm. Ausserdem sind wir Anfang März bei schönstem Wetter nach draussen gegangen. Da mussten wir allerdings nochmals 2 x 5 Stufen erklettern, aber diese Stufen waren nur etwa 15 cm hoch.
Dann gab es den ersten Spaziergang seit einem halben Jahr im Freien. Und dann am 20. den lang ersehnten Hochzeitstag in dem Restaurant, wo er seine Frau einen Hochzeitsstrauss hatte besorgen lassen.
Heute Morgen (am 27. März 2019) rief mich die Frau von Robert an. Er litt an Krebs. Um 05.50 Uhr ist er im Spital gestorben.

 

 

 

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